„Gurken"- Produktion

Doch zurück zu den 80er Jahren. Meine Perser-Nachkömmlinge mussten dringend nachgedunkelt werden. Ich brauchte einen sehr dunkel gezeichneten Kater. Ad de Bruijn hatte einen Blausilbertabby-Kater, der aus einer Brauntabby-Mutterlinie stammte, von der er die Größe mitbekam, und dessen Silbertabby-Vater die orangefarbenen Augen der Mutterseite schon etwas aufgehellt hatte. „Boy de Broeckloni" brachte das Muster zurück. Er brachte auch die „braunen" und „blauen" Gene seiner mütterlichen Vorfahren mit ein in den nun schon stark erweiterten Genpool. Ich bekam einfarbig blaue Jungtiere mit starker Geisterzeichnung, jede Menge smokige Kitten und silberne mit Rufismus. Die „Gurken"-Produktion am Kuhdamm lief auf Hochtouren. Ich versuchte, aus jedem Wurf irgendein brauchbares Tier für die Weiterzucht zu behalten. In den späten 80er Jahren hatte ich das Haus voller Katzen, aber unter ihnen waren lediglich drei oder vier, die man auf einer Ausstellung hätte zeigen können, ohne sich in Grund und Boden schämen zu müssen.

Oft warf Mutter Natur meine Pläne auch gründlich über den Haufen. Wenn ich mir im Vorfeld überlegt hatte, mit einem Mädchen von dieser Verpaarung und einem Kater aus jener weitermachen zu wollen, kam es mit Sicherheit anders. Es fielen nur Kater, das einzige Mädchen hatte die falsche Farbe und/oder wurde langhaarig. Ich lernte, mir Optionen offen halten zu müssen. Und: Nicht sofort zu kastrieren. Einige Male wurden junge Mädchen dauerrollig, konnten aber so früh nicht gedeckt werden, bekamen eine Gebärmutterentzündung oder waren nach Pille „chemisch kastriert". Nachdem zweimal die Elterntiere schon als Kastraten zu Liebhabern übergewechselt waren, musste ich so Outcross-Linien, die ich mit viel Idealismus und Zeitaufwand gestartet hatte, gleich wieder abhaken. Einige Male dämmerte mir in jener Zeit auch die Erkenntnis, dass der vor zwei Jahren kastrierte Kater nun genau der richtige gewesen wäre für ein Mädchen. Oder dass in einem Wurf mit nur Katern einer lag, der gut gepasst hätte zu einem Mädchen, das nun leider kastriert war.

Warten mit Kastration

Ich begann, zögerlicher zu kastrieren und mir hin und wieder auch Geschwister „in Reserve" zu behalten. Die Zahl der Katzen stieg. Glücklicherweise konnte ich ab und zu doch auch auf die Unterstützung von Liebhabern rechnen, Modell: siehe oben. Diese Hilfe brauchte ich auch dringend. Denn inzwischen hatten meine F1- und F2-Damen ihre von den Perser-Vorfahren ererbten goldenen Gene in meine Silberzucht eingebracht. Eine Farbe, die ich fast als „Fehlfarbe" gleich wieder ausgemerzt hätte. Ad de Bruijn besuchte mich. Ich zeigte ihm einen Wurf, in dem die Tabbys leider „Brauntabbys mit falscher (grüner) Augenfarbe", also „Fehlfarben" waren. Die amüsante Antwort meines Freundes, der sich als Perser-Richter mit dieser Farbe auskannte: „Weißt Du, was Du da hast? Das sind Goldene."

Goldene als Hauskatzen

Rückblickend betrachtet, waren diese ersten golden-getupften Jungtiere gar nicht mal so schlecht. Stolz präsentierte ich meinen „Deister" auf einer Ausstellung. Der Britenrichter empfahl mir, ihn in der Hauskatzenklasse auszustellen, da er grünäugig war. Brauntabbys (damals hießen sie noch nicht Black-Tabbys) mussten orangefarbene oder gelbe Augen haben.

Ich beschloss, das Muster wegzuzüchten. Für eine Golden-Shaded gab es keine braune Alternative, auf die ein Richter hätte verweisen können. „Priceless", ein helles, nur schwach gemustertes silbernes Mädchen (Vater Perser) brachte zusammen mit Deister dann bereits meine „Orchidee", die erste oder zumindest eine der ersten golden-shaded BKH. Von „Jappeloup D'Oaxaca", einem Sohn des getickten „Polar's Jenko" aus Holland, und Orchidee, stammte „Glorieux" ab, der erste Brite mit dieser besonderen Apricot-Farbe. Parallel zu diesen Würfen war meine golden-getupfte „Desiree" von dem holländischen „Esteban", einem shell-goldenen Perser, gedeckt worden. Da Ad de Bruijn diese Verpaarung für mich vornahm, bekam der daraus geborene Kater seinen Zwingernamen, „Goldstern de Broeckloni". Goldstern war groß, typvoll, hatte eine gute Golden-Farbe und noch starke Geisterzeichnung, was bei dem Tabby-Hintergrund kein Wunder war. „Orchidee" brachte dann mit „Goldstern" goldene Mädchen, die ebenfalls noch ein starkes Geistermuster zeigten. Wie gesagt: Meine „Gurken"-Produktion lief auf Hochtouren.

Eine Erkenntnis aus jener Zeit: Shadeds zu züchten, das heißt Muster wegzuzüchten, ist einfacher als ein gutes Muster zu erreichen. Mit dem Gelernten aus beiden Zuchtprozessen widmete ich mich einem neuen Ziel: der Golden-Tabby-Zucht. Mein Herz hing nun mal am Muster, schließlich hatten Silbertabbys mich überhaupt für die Katzenzucht begeistert.

Ich hatte „Goldstern" wie auch seine goldenen Töchter mit starkem Geistermuster, ich hatte ein sehr dunkles blau-silbernes Tabby-Mädchen, Tochter von „Boy" und daher gelbäugig, was für die Goldenzucht eigentlich „tödlich" war, und ich hatte ein dunkel gezeichnetes gestromtes Mädchen (Golden Gate) mit eher grau-brauner Grundfarbe, wie die sogenannten „Goldenen" von Silbertabby-Eltern halt sind. Nichts, mit dem man schnell das Ziel erreichen konnte. Vor allem hatte ich zu dem Zeitpunkt mit dem Problem zu kämpfen, dass die Shaded-Tiere dominant ihr getupft-getigertes Muster vererbten. Obwohl am Beginn meiner Goldenzucht meine blau-silber-gestromte „Sympatica" stand (Mutter von Deister und Desiree) und auch Orchidee noch eine gestromte Großmutter (Pantsy) gehabt hatte, fielen einige Generationen später niemals gestromte Kitten. Die benutzten Perser waren wohl auf Tupfen/Streifen selektiert worden, ebenso wie der eingekreuzte Exote.

Stromung über Umweg

Ich musste also überlegen, wie ich die Stromung in die Goldenzucht hereinholen konnte. In Holland fand ich einen Brauntabby-Kater mit einer hellen Grundfarbe und gutem Muster. Seine Augen waren gelb. Also musste ich eine gut grünäugige Katze auswählen für die Verpaarung. Meine Goldstern-Tochter „Goldika" schien mir geeignet. Sie hatte zwar auch nur dieses Wischi-waschi-mackerel Muster, aber gute grüne Augen. Und: Ihre Mutter war eine gestromte Silbertabby gewesen. Ich hatte die Verpaarung bewusst gemacht, um ein Stromungs-Trägertier zu bekommen. Ich hatte Glück: In dem Wurf von Goldika war ein bräunlicher Kater mit Stromung, „Milton". Die anderen Kitten passten hervorragend in meine „Gurken"-Produktion. „Milton" deckte zwei Katzen bei mir. Mit der gestromten „Golden Gate" brachte er „Marvellous Golden Marlon", der erste Goldentabby, der diese Bezeichnung auch annähernd verdiente.

Parallel zu diesen Würfen hatte ich meine Silver-Shaded Katze „Jadwiga's Dollar Girl", eine Goldstern-Tochter, von Glorieux decken lassen, und bekam die goldene „Samba", eine Shaded mit schwacher Geisterzeichnung (mackerel natürlich). Samba hatte dieses besondere apricot-golden, wie auch ihr Vater. Mit ihr begann ich, eine Goldentabby-Linie aufzubauen. Um nicht gleich wieder am Ende zu stehen, plante ich parallel dazu eine zweite und dritte Linie, aus Tabbys mit dunklem Muster.

Parallel züchten

Auch das hatte ich gelernt: Wenn man etwas erreichen will, muss man parallel züchten, muss zwei oder drei Würfe gleichzeitig haben, um sich für die Weiterzucht die geeigneten Tiere aussuchen zu können. Sonst behält man sich aus dem ersten Wurf das falsche Geschlecht, oder die falsche Farbe, und in den folgenden Würfen bekommt man nicht das passende dazu. Denn, wie erwähnt, bei aller Planung darf man die Eskapaden von Mutter Natur nie vergessen.

Samba musste die warme Goldenfarbe, die schmuddelig grau-braunen Tabbys das Muster bringen. Um die gelegentlich von gelbäugigen Vorfahren verursachten „Rückschläge" auszubügeln - gelbe Augen bei Goldenen sind der Super-Gau - kaufte ich den aus komplett anderen Perser/Exotic Linien stammenden „Aljoscha von der Kraepelinburg" an. Er hatte die fantastischen türkisfarbenen Augen, wie sie nur die über Generationen gezüchteten Shadeds haben. Und: Aljoscha hatte Stromung, zwar hell, aber sichtbar! Dazu einen traumhaften Charakter, was nützlich war! Denn die Silbertabby-Urgroßmütter hatten ihre Dominanz und ihre Launen teilweise weitergegeben.

Aus diesen mir nun zur Verfügung stehenden Linien mixte ich mir nun meinen Goldentabby-Cocktail zusammen. Insgesamt dauerte es etwa fünf Jahre, bis ich einen ersten „brauchbaren" Goldentabby vorzeigen konnte, meinen gestromten Marlon. Ich brauchte einige weitere Jahre, bis ich gut gezeichnete Tabbys mit der Apricot-Farbe, getupft wie gestromt, züchten konnte.

Dank an Freunde

Dankbar bin ich meinen Freunden und Bekannten, die etliche der „Zwischenstationen" nach dem Wurf oder der Deckung als Kastraten aufnahmen. Es gab auch viele nette Familien hier in Lengerich und Umgebung, die so eine „Second-Hand-Katze" aufnahmen. Oft waren es Familien, die gerne eine Edelkatze haben wollten, sich aus unterschiedlichen Gründen aber keine teure Katze leisten konnten. Meine Tierärztin Dr. Alexa Läkamp war eine große Hilfe bei der Vermittlung dieser „Zwischenstationen" in gute Hände. Ich habe die Katzen mit Schutzvertrag gegen eine „Kostenerstattung" abgegeben, damit nicht der Eindruck von „ausrangiert" oder „weggeworfen" entstand. Glücklicherweise konnte ich es mir leisten, nicht rechnen zu müssen. Die niedrigen „Preise" brachten mir zwar die Kritik ein, „den Markt zu überschwemmen und die Preise kaputt zu machen". Aber damit konnte ich leben. Auf alle Fälle habe ich den Katzen gegenüber kein schlechtes Gewissen, sie „benutzt" zu haben. Sie bekamen nach kurzem Zuchteinsatz ein Leben in einer Familie. Und da sie nicht teuer waren, konnte ich mir die passenden Familien aussuchen….

Kapitel für sich: Kater

Ein Kapitel für sich waren die Kater. In der „Hoch-Zeit" meiner Zucht hatte ich bis zu zehn Katern, manche für die Farbe, andere für das Muster, wieder andere für Typ, Größe oder Augenfarbe und alle mit irgendwie etwas frischem Blut. Ich hatte das Glück, dass die Herren sich vertrugen. Sie lebten in Gruppen und arrangierten sich. Wenn es Streit gab, dann unter den launischen Silbertabby-Damen in den Wohnräumen. Die Kater lebten in zwei Dreier-Gruppen und in einer Vierer-Gruppe, in entsprechend gestalteten Räumen, jeweils mit Außengehegen.

Wenn ich einen jungen Kater behalten wollte, verbrachte er seine Kindheit und frühe Jugend in den Wohnräumen mit mir und den Katzendamen. So etwa ab dem Alter von 6 bis 7 Monaten stellte ich den Jüngling dann im sicheren Schutz eines Kennels in den Katerraum, den ich als seine zukünftige Wohnung auserkoren hatte. Am ersten Tag verkroch sich der Kleine noch in der Kuschelhöhle oder darunter, fauchend seine Missbilligung bekundend. Die erwachsenen Kater schauten und schnupperten mal und gingen ihrer Wege. Wieso diese halbe Portion ernst nehmen? Die „Besuche" im Katerraum, immer noch umgeben von den schützenden Wänden des Kennels, wurden mit der Zeit länger. Aus der halben Stunde wurde eine ganze, später auch mal zwei Stunden. Danach kehrte der Kleine immer wieder in die Wohnräume zurück, wo er seine Tanten aufgeregt begrüßte. Nach einiger Zeit war der Kleine an die „Besuche" gewöhnt, er fauchte nicht mehr. Die Brummis vor seiner Kenneltür hatten jede einschüchternde Wirkung verloren. Ich öffnete dann die Kenneltür und stellte dem Jüngling frei, sich die Umgebung vielleicht mal anzuschauen. Bei diesem ersten „Ausflug" in das doch noch unbekannte Terrain blieb ich dabei. Um im Falle des Falles rettend eingreifen zu können. Zumeist verlief die erste Exkursion aber ohne besondere Vorkommnisse. Allenfalls rannte der Kleine bei einem ungewohnten Laut oder einer noch nicht richtig einzuschätzenden Bewegung seiner „Onkel" zurück in seinen schützenden Kennel.

Auf diese Weise ist es mir bei (fast) allen Katern gelungen, sie in eine der Gruppen zu integrieren. Nur einmal scheiterten alle Versuche. Ein aus fremden Linien zugekaufter Kater lehnte jede Kooperation ab. Er musste dann ins Kater-Blockhaus ziehen, das ich im Garten gebaut hatte. Auch dort lebte er nicht isoliert. Im Haus wohnten zwei weitere Kater, sicher hinter einer Drahtwand. Allerdings konnte ich - bei Bedarf - Störenfriede dort separieren. Sie sahen die anderen Kater, konnten ihnen im Haus wie auch draußen im Gehege am Drahtzaun begegnen, aber außer fauchender Missbilligung waren keine Feindseligkeiten möglich.


Zuchtziel erreicht

In den letzen Jahren meiner Zucht habe ich dann die Goldentabbys in die Silbertabbyzucht eingekreuzt. Ein Nachteil war sicher, dass die Silberlinge später als „Goldenträger" öfter mal diese Goldenen mit der grau-braunen Grundfarbe brachten, die niemand mag und die meine Gurken-Produktion aufrecht erhielt. Aber die Vorteile überwogen in meinen Augen: Die runden Köpfe und großen grünen Augen, durch die Perser im Hintergrund in die Zucht eingegangen, und der freundliche Charakter der Goldenen bedeutete für die Silbertabbys eine Verbesserung.

Als ich dann komplett grünäugige Silberlinge mit gutem Muster und Schmusecharakter hatte, fand ich, dass ich mein Zuchtziel erreicht hätte und nun Schluss machen könnte. Die jüngeren Zuchttiere, vor allem die Goldenen mit der guten Farbe, konnte ich durch Vermittlung von Freunden bei Züchtern unterbringen, die meine Arbeit nun fortsetzen wollen. Das lag mir schon am Herzen: Die jahrelange Arbeit sollte nicht „für die Katz" gewesen sein. Ich kenne andere Züchter, die Schluss machten mit der Kastration aller Katzen. Dazu konnte ich mich nicht überwinden. Natürlich ist mein Haus heute keine „katzenfreie Zone". Meine „Oldies", der Jüngste 8 Jahre alt, die Älteste 16, sind noch hier. Sie bleiben auch hier bis zu ihrem Ende.

Nach 14 Generationen …

Hier geblieben ist auch mein „Rodrigo", der - wenn ich ihn kritisch betrachte - noch kleine Fehler hat, aber schon ein ziemlich guter Silbertabbykater ist. Er lebt zusammen mit „Glorieux", der in diesem Sommer auch 16 Jahre alt wird. Und wenn ich mal zurückzähle, - ja dann ist ganz, ganz weit hinten unter den Ahnen von Rodrigo auch noch die „Initialzündung" vertreten, der westfälische Bauernkater „Felix". Dazwischen liegen 14 Generationen mit ein paar hübschen, aber sonst kleinen, langnasigen, zickigen, zu hellen, zu dunklen, zu flauschigen, und „gurkigen" Silbertabbys.

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